Kultur als Lebenshilfe

Selbsthilfegruppe für Stoffwechselerkrankungen

Riječ 41, 2011, Wiesbaden S. 28-30

 

Migration und Gesundheit


Die Migrationserfahrung ist für die aller meisten  Migranten eine einschneidende Erfahrung, die das Leben des Einzelnen für immer prägen wird. Den Heimat gezwungen oder freiwillig zu verlassen und sich in der neuen Gesellschaft ein zu leben erfordern oft die Überwindung vorgegebener Barrieren und die emotionale Bewältigung von neuen Herausforderungen. Dazu kommt die  Verarbeitung der damit verbundenen Trauer- und Loslöse Prozesse. Dies alles verlangt von ihnen große Kraftanstrengung und Stärke, die aber entsprechend Einfluss auf ihre körperliche, emotionale und psychische Gesundheit hat.

Daneben sind weitere Faktoren wie die sozioökonomische Position, die ethnisch-kulturellen und geschlechtsspezifischen Einstellungen und Erfahrungen wichtig für ihre Gesundheit. Denn die Erfahrungen von sozialer Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Rassismus und Diskriminierung greifen in den körperlichen und seelischen Nahbereich des Menschen ein und beschränken seine Möglich-keiten zur individuellen Lebensgestaltung und gesellschaftlichen Partizipation.

 

Gesundheit und der gleichberechtigte Zugang zum Gesundheitssystem sind entscheidende Schlüssel für gesellschaftliche Einschluss (Inklusion). Bereits 1946 wurde das Recht auf höchstmögliche körperliche und geistige Gesundheit sowie auf Zugang zu medizinischer Versorgung als individuelles Menschenrecht anerkannt. Eine Gesellschaft, die sich für die gesellschaftliche Einschluss und Teilhabe aller Bürger, auch der Minderheiten, entscheidet, hat diese menschenrechtlichen Standards bei der Gesundheitsversorgung der Migranten (unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status) einzuhalten.

Gleichberechtigter Zugang zum Gesundheitssystem bedeutet vor allem eine Gewährleistung des allgemeinen Standards aber auch eine adäquate Versorgung, die eine interkulturell kompetente Betreuung gewährleistet. Um dies zu erreichen und das Verständnis für die besonderen Bedürfnisse der Patienten aus anderen Kulturkreisen zu entwickeln, ist die interkulturelle Sensibilisierung des Fachpersonals im Gesundheitswesen unerlässlich.

Zur interkulturellen Öffnung des Systems gehören auch die Entwicklung zielgruppenspezifischer Angebote sowie die verstärkte Einbeziehung von Fachkräften mit Migrationserfahrung.

Wenn man die theoretischen und empirischen Ergebnisse der Migrationsforschung näher betrachtet, muss man wissen, dass einige methodische Besonderheiten auf dieses Forschungsgebietes gibt. 

Menschen mit Migrationshintergrund sind keine einheitliche und leicht zu definierende Gruppe.

Sie kommen aus verschiedenen Herkunftsländern oder sind bereits in Deutschland zur Welt gekommen, entstammen aber einer zugewanderten Familie. Diejenigen, die selbst migriert sind, hatten ganz unterschiedliche Motive für die Migration.

Die Heterogenität der Migranten macht daher eine Operationalisierung d.h. Verknüpfung von Begriffen mit Verfahren (Operationen), durch die sich ihr Inhalt (Bedeutung) empirisch bestimmen lässt („Temperatur ist, was man mit dem Thermometer misst“) in den Studien schwierig.

 

Wer ist nun ein Migrant?

Manche Forscher berufen sich auf die Nationalität als Kriterium, andere auf die Muttersprache, dritte auf die Ethnie der Großeltern und wiederum andere auf den Geburtsort.

Die unterschiedlichen Definitionskriterien mindern die Vergleichbarkeit der Studien. So dass wir unterschiedlichen Ergebnisse je nach politischer Lager bekommen (B. Kirkcaldy et al. 2006)1.

Im Migrationsbericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005) wird folgende Definition von Migration vorgeschlagen: Von Migration spricht man, wenn eine Person ihren Lebensmittelpunkt räumlich verlegt. Von internationaler Migration spricht man dann, wenn dies über Staatsgrenzen hinweg geschieht.

Als weiteres Problem sind die soziodemografische Merkmale in den Migrationspopulation sie ist andres verteilt als in den einheimischen Stichproben.

So sind sie in Deutschland immer noch etwas junger, und unter ihnen gibt es mehr Männer als der hiesigen Population. 

Ein weiteres Problem ist die Repräsentativität der Studien. Migranten sind nicht einfach zu erreichen und den Umgang mit Fragebogenuntersuchungen oft nicht gewöhnt.

Weiterhin ist die Frage mit wem werden die Migranten verglichen mit Menschen der Ankunftsgesellschaft  oder der Herkunftsgesellschaft.

Hinzukommt noch, dass aufgrund ihrer Heterogenität Migrant ist eben nicht gleich Migrant.

Trotzdem sind einige generell Aussagen zum Thema Möglich.

Wer migriert, ist besonderen gesundheitlichen, sozialen und ökonomische Belastungen ausgesetzt2 .

Unterschiede in der Gesundheit zwischen Migranten und nicht Migranten Mehrheitsbevölkerung sind aber nicht immer ein Hinweis auf Ungerechtigkeiten.

Menschen, die aus einem ärmeren Land in ein wohlhabendes Industrieland wie z.B. nach Deutschland zuwandern, weisen allein durch die Tatsache der Migration ein Risiko für übertragbare wie auch nichtübertragbare, chronische Erkrankung auf, das sich von dem der nicht migrierten Bevölkerung im Zuwanderungsland unterscheidet. Migration aus ärmeren Ländern in die reicheren Länder geht mit einem gesundheitlichen Übergang einher. Darunter versteht man Verschiebung von einer hohen Sterblichkeit hin zu einer insgesamt niedrigeren Sterblichkeit, bei gleichzeitigem Wechsel der häufigsten Todesursachen von Infektionskrankheiten Mütter- und Kindersterblichkeit hin zu nicht übertragbaren, chronischen Erkrankungen. Zum gesundheitlichen Übergang gehören unter anderem: eine therapeutische Kompetente bessere Vorbeuge- und Behandlungsmöglichkeiten, z.B. für Infektionskrankheiten eine Risikofaktorenkomponente z.B. Erkrankungsschutz durch sauberes Trinkwasser, aber auch neue Risiken durch Rauchen, Ernährungsweise und Bewegungsmangel.

Neuerkrankungen und Sterblichkeit der Migranten an ischämischer Herzerkrankungen, der häufigsten Todesursachen in Deutschland, bleiben zunächst auf dem niedrigeren Niveau z.B. eines südeuropäischen Herkunftslandes. Dies ist auf die meist lange Latenzzeit zwischen einem Anstieg der Risikofaktoren und dem Auftreten der Erkrankung zurückzuführen. Zuwanderer der ersten Generation können daher noch viele Jahre nach der Migration eine niedrigere Herzinfarkt-Inzidenz und Sterblichkeit haben als die Bevölkerung des Zuwanderungslandes (Razum et al., 2004; Geiger und Razum, 2006).

Dies kann sich aber schon bei der Migranten der zweiten und dritten Generation, die im Zuwanderungsland aufwachsen und sich an den Lebensstil der Industrieländer an passen ändern. Dadurch steigt ihr Risiko einer ischemische Herzerkrankung mit der Zeit entsprechend der Risikofaktor Komponente des gesundheitlichen Übergangs. Dieser Anstieg des Risikos kommt zu fortbestehenden höheren Risiken von Migranten für andere chronische Erkrankung hinzu. Beispiele sind Magenkrebs und Schlaganfall. Sie treten gehäuft unter Menschen auf, die ihre Kindheit in Armut und unter schlechten hygienischen Bedingungen verbracht haben.

 

Eine Ungleichheit, die als Ungerechtigkeit interpretiert werden kann, besteht bei chronischen Erkrankungen durch Verschleiß. Arbeitsmigranten in Deutschland sind davon viel stärker betroffen als die Mehrheitsbevölkerung offenbar sind sie Arbeitsbeding-ungen ausgesetzt, die für Mehrheit bereits der Vergangenheit angehören und die verändert werden können und müssen.

Es kann aber auch umgekehrt nicht jede Gleichheit als Indiz für Gerechtigkeit gedeutet werden.

Ein hypothetisches Beispiel hierzu: Migranten aus südeuropäischen Ländern, in denen Herzinfarktsterblichkeit niedrig ist, hätten schon wenige Jahre nach der Migration die gleiche Herzinfarktsterblichkeit wie Deutsche. Ein solcher Befund würde trotz scheinbarer Gleichheit auf eine aktuelle und vermeidbar krank machende Lebenssituation hinweisen, und damit auf eine gesundheitliche Ungerechtigkeit. 

Nur mit Blick auf die epidemiologische Situation des Herkunftslandes und auf frühere Expositionen lassen sich scheinbar widersprüchliche Muster im Auftreten nichtüber-tragbarer, chronischer Krankheiten zwischen Migranten und Mehrheitsbevölkerung erklären.

Gravierendere Probleme gibt es auch im Bereich der psychischen Gesundheit. Hierfür werden unterschiedliche Situationen der Migranten wie z.B. nicht vorhandene  Aufenthaltserlaubnis, Arbeitsplatzunsicherheit, Diskriminierung in der Gesellschaft aber auch religiöse und ethnische Einflüsse als Ursache vermutet.

Als weitere Ursachen für eine erhöhte Verwundbarkeit von Migranten für psychiatrische Erkrankungen wird aber auch die Kombination aus hohen Anpassungsanforderungen an die neue Lebensumwelt und der Verlust der Anbindung an das Herkunftsland vermutet.

Sie sehen das Thema Migration und Gesundheit ist ein komplexes Thema, das sich im Rahmen eines Vortrags nur schwer darstellen und behandeln lässt. Es kann nur die Oberfläche berühren und nicht in die Tiefe greifen.

 Was können wir Migranten aber aktiv unternehmen um Gesunder zu bleiben und die nächsten Generationen gewissermaßen ein Beispiel zu geben.

Zusätzlich zu gesellschaftliches Engagement, erlernen von Sprache und Kultur unseres Gastlandes können Hinweise auf richtiges Verhalten bezüglich

- Ernährung

- Bewegung und Sport

helfen die physisch bedingte Ursachen der Erkrankungen der Migranten zu vermeiden.

 

Auf Grund der steigenden Zahl übergewichtiger und adipöser Kinder und Jugendlichen (im Vergleich zu den Zahlen von 1970 hat sich die Anzahl adipöser Kinder um das Zehnfache erhöht).

Daher rufen verschiedene Institutionen, wie die Weltgesundheitsorganisation, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zu Ernährungsprogrammen und Prävention auf. Ungesunde Ernährung und zu wenig Bewegung im Jugendalter können im Erwachsenen-alter schwere Spätfolgen wie Diabetes Typ II, koronare Herzerkrankungen und Krebserkrankungen hervorrufen. Deshalb ist eine möglichst frühzeitige Intervention zur Behandlung der Symptome notwendig.

Aus diesem Grund ist es wichtig, Kinder und Jugendliche ausreichend über ausgewogene Ernährung zu informieren, um oben genannte Folgen von Übergewicht im Kindesalter zu reduzieren.3

 

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt:

 1. Vielseitigkeit der Ernährung

was eine abwechslungsreiche Kost mit  angemessener Menge an nährstoffreichen und energiearmen Lebensmitteln, wobei das gesamte vorhandene Nahrungsmittelangebot ausgenutzt werden sollte.

2. Getreideprodukte und Kartoffeln:

Brot, Nudeln oder Reis aus Vollkorn und Kartoffeln sollen reichlich konsumiert werden, da sie kaum Fette enthalten, aber dennoch Lieferant für wichtige Vitamine,

Mineralstoffe und Spurenelemente, sowie Ballaststoffe sind.

3. Gemüse und Obst:

Der Konsum von Obst und Gemüse ist wichtig für eine
ausreichende Vitaminaufnahme und das Immunsystem des Körpers. Zusätzlich können verschiedene Krankheiten, wie bestimmte Krebsarten oder koronare Herzerkrankungen durch eine regelmäßige Aufnahme verringert werden.

Deshalb empfiehlt die DGE „5 am Tag“, was durch Fruchtsäfte, kurz gegartes Gemüse oder frisches Obst aufgenommen werden kann. Zusätzlich liefern sie wertvolle Vitamine, Ballaststoffe, Mineralstoffe, sowie sekundäre Pflanzenstoffe wie z.B. Carotinoide, die für die Stärkung des Körpers, und zur Vorbeugung von Arteriosklerose und Rheuma benötigt werden.

4. Milch, Fleisch, Fisch und Eier:

Milch und Milchprodukte sind wertvolle Calciumlieferanten, die täglich konsumiert werden sollten. Calcium ist wichtig für den Knochenaufbau und hat präventive Wirkung für Krebserkrankungen. Fisch ist reich an Jod, Selen und Omega-3-Fettsäuren und sollte empfohlener Weise ein bis zwei Mal pro Woche zu sich genommen werden. Fleisch und Wurstwaren, sowie Eier sollten nur in Maßen verzehrt werden. Da sie allerdings wichtiges Eisen und Vitamine B1, B6 und B12 enthalten, ist es nicht sinnvoll gänzlich auf diese Produktgruppen zu verzichten.

Bei allen Lebensmitteln sollte eine fettarme Zubereitungsvariante gewählt und eher zu fettreduzierten Produkten gegriffen werden.

5. Wenig Fett und fettreiche Lebensmittel:

Besonders pflanzliche Fette und Öle liefern essentielle Fettsäuren, die für den Körperaufbau notwendig sind. Da Fett jedoch sehr energiereich ist und somit Übergewicht und mögliche Krebsarten fördern kann, sollte besonders auch auf „versteckte“ Fette, die z.B. in Wurstwaren, Milchprodukten und Süßwaren enthalten sind, geachtet werden.

6. Zucker und Salz in Maßen:

Zuckerhaltige  Lebensmittel und Getränke, die mit Süßungsmitteln  verarbeitet wurden sollten nur gelegentlich konsumiert werden. Statt Salz sollte lieber auf das Aroma von verschiedenen Gewürzen zurückgegriffen, sowie jodiertes Speisesalz bevorzugt werden.

7. Flüssigkeit:

Die DGE empfiehlt jeden Tag mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit, am besten durch Quellwasser zu sich zu nehmen. Alkoholische Getränke sollten nur gelegentlich und in Maßen getrunken werden, da sie zusätzlich hohe Energiewerte aufweisen.

8. Zubereitung:

Um eine möglichst fettarme Zubereitung der Speisen zu ermöglichen, sollten vor allem beschichtete Pfannen und Töpfe verwendet werden, da diese den Einsatz von Fett deutlich reduzieren. Zusätzlich sollten möglichst niedrige Temperaturen zur Gärung verwendet werden, da so die Bildung von schädlichen Verbindungen reduziert wird und mehr Vitamine und Nährstoffe erhalten bleiben.

9. In der Ruhe liegt die Kraft:

Um bewusst essen zu können, sollte nicht hektisch z.B. im Gehen, oder vor Unterhaltungsmedien gegessen werden. Zeit und Ruhe sind wichtig, um ein Sättigungsgefühl einzuleiten. Speisen sollten stets appetitlich angerichtet werden, da auch das „Auge mitisst“. 10. Bewegung:

Ausgewogene Ernährung allein genügt nicht, um körperlich fit und nicht übergewichtig oder adipös zu werden. Daher sollte sportliche Aktivität eine vollwertige Ernährung unterstützen.                  

Dr. Ali Asghar Fassihi

 
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung



1   http://www.springerlink.com/content/?Author=B.+Kirkcaldy

2  Razum et al., 2004; Geiger und Razum, 2006

3          Quelle Razum, O./ Zeeb, H./ Meesmann, U./ Schenk, L./ Bredehorst, M./ Brzoska, P./ Dercks, T./ Glodny, S./ Menkhaus, B./ Salman, R./ Saß, A.-C./ Ulrich, R. (2008): Migration und Gesundheit. Berlin: Robert Koch-Institut


  

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